Artikel aus DAP Dialog – Das Magazin des DeutschenApothekenPortals, erschienen in Ausgabe 56, April 2020
Autor: Frank Weißenfeldt
Alleinstellungsmerkmale fördern das Betriebsergebnis
Die Apotheke muss ihre Besonderheiten zeigen und Stärken müssen deutlich hervorgehoben werden. Als Alleinstellungsmerkmal wird im Marketing das einzigartige Leistungsmerkmal bezeichnet, durch das sich ein Angebot augenfällig vom Wettbewerb abhebt.
„Ich habe kein Marketing gemacht. Ich habe immer nur meine Kunden geliebt.“ Das soll der Zigarrenhersteller Zino Davidoff (1906 bis 1994) einmal gesagt haben. Ob bewusst oder unbewusst – Davidoff hat mit seinen Worten den Nagel auf den Kopf getroffen. Gefühle führen zu Kaufentscheidungen und Emotionen sind daher die wichtigste Marketing-Währung.
Im Marketing geht es immer wieder darum, Kunden zu adressieren, zu binden und zu begeistern. Alleinstellungsmerkmale sind Vorteile Ihrer Apotheke, mit denen Sie Ihre Kunden adressieren, binden und begeistern.
Was ist der USP Ihrer Apotheke?
Einzigartiges Nutzen- bzw. Verkaufsversprechen oder veritabler Kundenvorteil sind Synonyme für Alleinstellungsmerkmal. Ferner nutzen Marketeers den Begriff USP (engl. unique selling point oder unique selling proposition). Im Kern geht es immer wieder darum, Kunden zu bewegen, damit diese nicht irgendeine Apotheke wählen, sondern Ihre – weil Ihre Apotheke einmalig ist und das verspricht, was der Patient und Apothekenkunde wünscht.
Mit dem USP bzw. der Alleinstellung einer Leistung hebt man sich als Anbieter vom Wettbewerb ab. Neben der Lage sind es immer wieder Details, auf die es ankommt: saisonale Aktionen, ausreichend Parkplätze, genügend Mitarbeiter in Stoßzeiten und besondere Serviceleistungen der Apotheke (z. B. Botendienst, patientenindividuelle Versorgung mit Kompressionsstrümpfen). Dabei muss man nicht der Platzhirsch sein, aber Vorteile gegenüber anderen Apotheken bieten, um Aufmerksamkeit zu schaffen, die Frequenz zu erhöhen, Kundenloyalität zu steigern und den Kundenstamm zu vergrößern.
Ad hoc stellt sich die Frage: Woher stammt der Begriff USP und was bedeutet die Herausstellung von Leistungsmerkmalen für die moderne Apotheke im Zeitalter der Digitalisierung?
Die Wurzeln des Ausdrucks USP liegen in den USA. Der Begriff „Unique Selling Proposition“ wurde vom amerikanischen Werbepionier Rosser Reeves (1910 bis 1984) in die Marketingtheorie und -praxis eingeführt. Studenten der Betriebswirtschaft ist der Begriff so geläufig wie die Strukturformel der Acetylsalicylsäure Pharmaziestudierenden.
Warum kaufen Kunden ihre Medikamente und Gesundheitsprodukte eigentlich ausgerechnet in Ihrer Apotheke? Mit Ihrem USP geben Sie ihnen gute Gründe dafür!
Der USP bzw. das einzigartige Verkaufsversprechen lässt Ihre Apotheke aus der Masse hervorstechen. Er sorgt dafür, dass Kunden zu Ihnen kommen und nicht in einer anderen Apotheke ihre Rezepte einlösen und rezeptfreie Produkte einkaufen. Das sichert das Betriebsergebnis und letztendlich die Existenz Ihrer Apotheke.
Welcher USP bzw. welcher Erfolgsfaktor ist nun aber besonders wichtig? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten, schließlich unterscheiden sich die Kundenwünsche einer Großstadtapotheke in einer Fußgängerzone erheblich von den Erwartungen an eine kleine Landapotheke oder an eine Apotheke in einem Ärztehaus.
Analysen und Befragungen zeigen allerdings immer wieder, dass die Verfügbarkeit des Arzneimittels, der Rat des Apothekers bzw. der Apothekerin und des weiteren pharmazeutischen Fachpersonals und last but not least die Freundlichkeit und Empathie des Apothekenteams entscheidende Erfolgsfaktoren sind. Die Bedeutung dieser Faktoren spiegelt sich auch in der strategischen Ausrichtung einiger Apotheken wider.
Die Entwicklung im Apothekenmarkt und Studien zeigen insbesondere vier Arten der Alleinstellung:
Die „24/7-Apotheke“
Sie bietet Öffnungszeiten von z. B. 8 bis 24 Uhr an 365 Tagen im Jahr und einen top Botendienst und/oder Teilnahme an einem bekannten Lieferservicenetzwerk (z. B. Pillentaxi) von und für Apothekerinnen und Apotheker.
Amazon, Lieferando und Co. verändern unser Konsumverhalten. Der gemeinsame Familieneinkauf gehört der Vergangenheit an. Produkte für den täglichen Bedarf werden verstärkt bestellt und Essen bringt der Pizzabote. Welche Bedeutung hat diese Entwicklung für die Apotheke und welche Möglichkeiten bieten ein Botendienst, lange Öffnungszeiten bzw. ein Lieferservicenetzwerk von und für Apotheken?
Für viele Apothekenkunden ist die günstige Lage der Apotheke – und daher die Verfügbarkeit des Produkts – entscheidend für die Apothekenwahl. Wie lange dieses Argument jedoch standhalten kann, bleibt abzuwarten. Schließlich können sich immer mehr Verbraucher vorstellen, rezeptfreie Produkte bei Amazon zu bestellen, und der Marktanteil der großen Versandhandelsapotheken für OTC-Arzneimittel und Kosmetikprodukte steigt stetig an. Mit der Einführung des E-Rezepts erwarten die Versender ferner auch einen Boom für den Versand von rezeptpflichtigen Arzneimitteln.
Für Apotheken, die lediglich auf den Standortfaktor setzen, könnte dies zum Problem werden. Die Bedeutung von Dienstleistungen (z. B. Lieferservice) und neuen Konzepten (z. B. reservierte Kassen und Parkplätze für Online-Abholer) steigt stark an. Nach der Änderung der Apothekenbetriebsordnung erhält insbesondere der Botendienst eine Schlüsselfunktion und wird immer wichtiger für Ihre Apotheke.
Ausgesprochen attraktive Öffnungszeiten haben einige Apotheken in Berlin. Die Formel „365 Tage von 8 bis 24 Uhr“ spricht insbesondere Berufstätige aus der Start-up- Szene an. Diese Zielgruppe – die per se ja sehr internetaffin ist – geht gerne nach 20 Uhr in die Apotheke. Aber auch Touristen und junge Familien profitieren von den unorthodoxen Öffnungszeiten.
Die „Wohlfühlapotheke“
Die Apotheke bietet einen besonderen Service (z. B. Aktionstage und individuelle Beratung) oder beeindruckt durch eine außergewöhnliche Atmosphäre (z. B. gemütliche Möbel mit Lounge-Charakter). Darüber hinaus besticht das Apothekenteam durch einen einheitlichen Auftritt und eine besonders freundliche und kundenorientierte Ansprache. Eigene Zubereitungen können ggf. das Leistungsspektrum abrunden.
Die „spezialisierte Apotheke“
Im Umfeld der Apotheke leben z. B. überdurchschnittlich viele jüngere Frauen mit einer höheren Bildung, einem guten Einkommen und einer ökologischen Orientierung. Diese Kundengruppe kauft grundsätzlich Produkte aus der Region, Bio-Lebensmittel und Naturkosmetik. Daraufhin entwickelt die Apotheke eine eigene Phytokosmetiklinie. In Dermakosmetik ausgebildete Mitarbeiter beantworten den Kunden alle Fragen rund um die Pflege der Haut und zur eigenen Naturkosmetiklinie. Alle Produkte werden auch in einem apothekeneigenen Onlineshop angeboten. Ferner können Patienten mit Hautproblemen individuelle Beratungstermine vereinbaren.
Die Fokussierung auf ältere Menschen, Chroniker oder junge Familien können z. B. weitere Formen der Spezialisierung sein. Selbstverständlich muss aber auch eine spezialisierte Apotheke für alle Patienten offen sein und offen bleiben.
Die Apotheke als „lokale Marke“
Die Apotheke zählt zur Stadt, zum Viertel bzw. zum Ort oder Dorf – wie der Fußball- und Handballverein, die Karnevalsgesellschaft, die Schützenbruderschaft und die freiwillige Feuerwehr.
Auch wenn es vielen Menschen in Deutschland materiell noch nie so gut gegangen ist wie heute, leben wir in unruhigen Zeiten. Globalisierung und Digitalisierung schreiten voran. Der Coronavirus und Rezessionsängste verunsichern die Bevölkerung.
Sicherheit und Vertrauen sind daher emotionale Schlüsselreize, die hoch im Kurs stehen – Grundbedürfnisse, für die insbesondere auch die Apotheke vor Ort steht. Der lokale Bezug wird tendenziell immer wichtiger.
Im Kern geht es darum, das Marketing der Apotheke auf das regionale bzw. lokale Umfeld zu konzentrieren und mit einem Markenversprechen zu agieren sowie der Kommunikation eine wiedererkennbare Absenderschaft zu vermitteln. Die Markenbasis kann sich aus allem rekrutieren, was trägt (z. B. Engagement für den lokalen Sportverein) und zur Etablierung der lokalen Marke beiträgt.
Grundsätzlich ist auch eine Kombination von schlagkräftigen Argumenten und Erfolgsfaktoren möglich. Dennoch ist entscheidend, auf welches Alleinstellungsmerkmal bzw. auf welche Wettbewerbsvorteile Sie setzen. Wichtig: Das Apothekenteam begeistert den Kunden und der Kunde sieht und erkennt die Singularität des Angebots. Ring frei! Der Kampf um den USP-Titel ist eröffnet – aber es wird nicht nur einen Champion geben!
Frank Weißenfeldt ist Associate Director bei IQVIA in Frankfurt am Main. IQVIA ist ein führender internationaler Anbieter von integrierten Informations- und Technologielösungen, der Kunden im Gesundheitsbereich dabei unterstützt, ihre klinischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Ergebnisse zu verbessern. IQVIA ist durch Fusion von Quintiles und IMS Health entstanden. Der Diplom-Betriebswirt und MBA der University of Bradford blickt auf über 20 Jahre Erfahrung in der Beratung, im Projektmanagement und im Marketing zurück. Frank Weißenfeldt ist seit dem Jahr 2000 bei dem weltweit tätigen Beratungs-, Technologie- und Marktforschungsunternehmen. Nach der Wahrnehmung verschiedener Aufgaben im Produktmanagement leitet er seit April 2010 u. a. das Apotheken-Panelmanagement. Darüber hinaus organisiert er Management-Consulting- und Produktentwicklungsprojekte und moderiert Arbeitsgruppen und Spezialforen. Frank Weißenfeldt ist Dozent an der Hochschule Schmalkalden, Autor zahlreicher Fachpublikationen und regelmäßig als Referent zu Themen mit gesundheitspolitischem, volks- bzw. betriebswirtschaftlichem Bezug tätig.
Quellen und Literatur:
Frank Weißenfeldt – „Premium-Apotheken“, Deutsche Apotheker Zeitung, 17.05.2018, Nr. 20, Seite 56–59
Frank Weißenfeldt – „Die Zukunft der Apotheke ist digital und lokal“, Pharm. Ind. 80, Nr. 10, 1344–1349 (2018)
Frank Weißenfeldt – „Amazon und Co. verändern den Markt: Verfügbarkeit ist Trumpf!“, AWA – Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker, 44. Jahrgang/Nr. 24, 15.12.2019, Seite 12–13
https://www.diepta.de/news/praxis/marketing-was-ist-ihr-usp-539536/
https://www.textbroker.de/unique-selling-proposition-usp
https://centralstationcrm.de/blog/unique-selling-proposition
https://werbungfuerdeingeschaeft.de/blog/alleinstellungsmerkmale
https://www.fleischwirtschaft.de/management/nachrichten/Marketing-Alleinstellungsmerkmale-foerdern-den-Umsatz–33881?crefresh=1
https://de.wikipedia.org/wiki/Alleinstellungsmerkmal