Australien leidet seit einigen Wochen bereits unter einer schweren Grippewelle. Während sich die Grippesaison auf dem Kontinent normalerweise zwischen Juni und Oktober erstreckt und dabei rund 16.000 Infektionen nach sich zieht, wurde in diesem Jahr bereits Anfang Juli schon rund 130.000 Infektionen bestätigt. Auch die Behörden warnen Reisende bereits vor der Ansteckungsgefahr und raten zur Vorsicht.
Auch in unseren Breitengraden sind saisonale Grippewellen nichts Ungewöhnliches. Sie tauchen meist gegen Ende der Wintermonate auf, wohingegen im Sommer vergleichsweise selten Infektionen gemeldet werden. Deshalb lag bereits vor vielen Jahren die Vermutung nahe, dass Tageslänge bzw. Dauer der Sonneneinstrahlung mit der Infektanfälligkeit in Verbindung stehen. Das Bindeglied stellt in diesem Fall das Vitamin D dar. Aufgrund der Fähigkeit unseres Körpers, das Vitamin mithilfe der UV-B-Strahlung in der Haut selbst herzustellen, wird es auch gerne als „Sonnenvitamin“ bezeichnet. Normalerweise kann der Körper etwa von April bis Oktober durch gute Sonneneinstrahlung ausreichend Vitamin D herstellen und die Speicher füllen. Im Winter, wenn die Tage kürzer und die Sonnenexposition deutlich verringert ist, kann dann von den Vitamin D-Vorräten gezehrt und die ausreichende Versorgung auch in der dunklen Jahreszeit sichergestellt werden.
In früheren Zeitaltern, als die Menschen noch den Hauptteil des Tages im Freien verbracht haben, war eine gute Versorgung mit Vitamin D unproblematisch. Heutzutage halten sich die meisten Menschen hauptsächlich im Büro oder der Schule auf und gehen auch in der Mittagspause, wenn die Sonneneinstrahlung am stärksten ist, nicht nach draußen. Zudem wird aufgrund der Sorge vor Hautkrebs oft die direkte Sonneneinstrahlung vermieden (z. B. durch lange Kleidung). Diese Faktoren führen dazu, dass sich viele Menschen selbst im Sommer nicht ausreichend mit Vitamin D „bevorraten“ können und dann bereits gegen Mitte der Wintermonate eine Mangelsituation im Körper entwickeln. Eine solche wirkt sich dann negativ auf die Funktion des Immunsystems aus und kann zu Erkältungen und Grippeinfektionen führen.
Erkältungen und Atemwegsinfekte gehören zu den verbreitetsten Infektionskrankheiten und mehr als zweihundert Viren sind als Auslöser bekannt. Influenza-Viren (Grippe) und Rhino-Viren (Erkältung) sind häufig für die saisonalen Grippe- und Erkältungswellen verantwortlich und treten vermehrt in den Wintermonaten zutage, wenn die Vitamin D-Spiegel im Blut niedrig sind. Die Bekämpfung dieser Erreger ist nicht mit Antibiotika zu erreichen, sondern muss vom Immunsystem allein gestemmt werden. Umso wichtiger es, die Bedeutung von Vitamin D für das Immunsystem zu verstehen und einem Mangel vorzubeugen, damit das Risiko einer Infektion möglichst geringgehalten werden kann.
Neben der klassischen Funktion für den Calcium- und Knochenstoffwechsel hat Vitamin D wichtige Eigenschaften als Signalmolekül im Immunsystem. Alle Immunzellen besitzen den Vitamin D-Rezeptor, was bereits ein wichtiger Hinweis auf die Bedeutung des Moleküls für diese Zelltypen ist. Weiterhin sind viele dieser Zellen in der Lage, Vitamin D in seine aktive Form (1,25(OH)D3 bzw. Calcitriol) zu überführen, um eine schnelle Bereitstellung des Vitamins in (lokal) größeren Mengen zu ermöglichen. Die Bindung von Vitamin D an den Vitamin D-Rezeptor scheint verschiedene Vorgänge in den betroffenen Zelltypen auszulösen.
Neutrophile:
- Reduzierte Produktion entzündungsfördernder Substanzen und reaktiver Sauerstoffspezies
- Anti-apoptotische Signale (Schutz vor Zellsterben)
Makrophagen:
- Verstärkte Entwicklung von Makrophagen aus Vorläuferzellen (Monocyten)
- Verstärkte Eigenproduktion von Calcitriol durch Entzündungssignale von außen
- Produktion antimikrobieller Peptide (z. B. Cathelicidine und Defensine)
- Verminderte Produktion entzündungsfördernder Substanzen (z. B. Interleukin-12, -1, -6)
- Verbesserung der Phagocytose (Aufnahme und Zerstörung größerer Partikel)
Dendritische Zellen:
- Verstärkte Entwicklung in Richtung eines „toleranten“ Status
- Reduzierte Produktion entzündungsfördernder Substanzen
- Verstärkte Produktion entzündungshemmender Substanzen (z. B. IL-10, TNF-alpha)
- Beeinflussung der T-Zellen in Richtung eines toleranten Status (verringerte Autoreaktivität)
B-Zellen:
- Verstärkte Produktion von Vitamin D-Rezeptoren
- Beeinflussung der Antigen-spezifischen Antikörper-Produktion
T-Zellen:
- Reduzierte Produktion entzündungsfördernder Substanzen
- Verstärkung der Selbst-Toleranz durch regulatorische T-Zellen
Vitamin D scheint überwiegend einen „dämpfenden“ Einfluss auf die Zellen des Immunsystems zu haben. Was zunächst widersprüchlich zu einer aktiven Bekämpfung von Krankheitserregern erscheint, ist ein wichtiger Mechanismus, damit keine überschießenden Immunreaktionen stattfinden. Durch solche kann nämlich auch körpereigenes Gewebe in Mitleidenschaft gezogen werden. Außerdem muss das Immunsystem regulierende Komponenten besitzen, um die Entstehung autoreaktiver Zellen zu verhindern, denn diese können im schlimmsten Falle zur Entwicklung von Autoimmunerkrankungen beitragen. Die bedarfsgerechte Versorgung des Körpers mit Vitamin D ist deshalb von großer Bedeutung und ein Mangel sollte gegebenenfalls mit hochwertigen Mikronährstoffsupplementen behoben werden.
Weitere Informationen zu Vitamin D im Blogeintrag „Das Sonnenhormon Vitamin D“.